Tommy liebt Abenteuer – und heute erlebt er sein größtes!
Im Wunderland-Freizeitpark tritt er mit seinem Rollstuhl „Turbo“ beim großen Team-Champion-Wettbewerb an. Mut, Kreativität und jede Menge Spaß warten auf die beiden – von einem Schaumbad-Tunnel voller Überraschungen bis hin zum Zuckerschaumhügel, den Tommy mit Köpfchen und Teamgeist meistert.Diese Mutmachgeschichte zeigt Kindern im Rollstuhl (und allen anderen!), dass Anderssein eine Stärke ist.
Wer seinen eigenen Weg findet, kann Großes erreichen.🎧 Inhalt:
• Abenteuer im Freizeitpark
• Spaß, Humor & spannende Herausforderungen
• Stärkung des Selbstwertgefühls
• Inklusion & positive Vorbilder für Kinder im Rollstuhl
💛 Perfekt als Gute-Nacht-Geschichte, Mutmachgeschichte oder inspirierendes Hörabenteuer.
Tommy spürte das Kribbeln schon im Bauch, als er die ersten bunten Fahnen über den Dächern sah.
„Da ist er!“, rief er und zeigte mit ausgestrecktem Arm nach vorn. „Der Wunderland-Freizeitpark!“
Seine Mama lachte und schob den Rollstuhl ein kleines bisschen schneller.
„Nicht, dass du mir hier gleich abhebst, Turbo-Tommy.“
Tommy grinste und legte liebevoll die Hände auf die Armlehnen seines Rollstuhls.
„Hast du gehört, Turbo? Heute zeigen wir allen, wie schnell und schlau wir sein können.“
Turbo antwortete natürlich nicht. Aber für Tommy fühlte es sich manchmal so an, als würde sein Rollstuhl ihn genau verstehen. Wenn er nervös war, fühlten sich die Griffe hinten ganz warm an. Und wenn er sich freute, schien Turbo besonders leicht über den Boden zu gleiten.
Heute war ein ganz besonderer Tag.
Im Wunderland-Freizeitpark fand zum ersten Mal der „Team-Champion“-Wettbewerb statt: Kinder traten gemeinsam mit ihrem Lieblings-Gefährt an – mit Fahrrädern, Scootern, Inline-Skates, Skateboards… und einem einzigen Rollstuhl.
Tommy.
Ankunft im Wunderland
Schon am Eingang roch es nach frischem Popcorn und Zuckerwatte. Bunte Lichter blitzten, Achterbahnen ratterten, Kinder lachten und kreischten vor Freude. Überall standen Schilder:
HEUTE: TEAM-CHAMPION-WETTBEWERB!
Melde dich mit deinem Gefährt an –
Mut, Teamgeist und Fantasie zählen!
Tommy las den letzten Satz noch einmal.
„Siehst du, Turbo? Nicht nur Geschwindigkeit. Wir haben eine Chance!“
Vor dem Anmeldezelt hatte sich eine lange Schlange gebildet. Ein Mädchen mit pinkem Fahrradhelm stieß ihren Bruder an.
„Guck mal, der Junge da ist mit einem Rollstuhl da!“
Tommy spürte, wie ihm die Wangen warm wurden. Er wusste nie genau, ob die Leute es cool oder komisch fanden, wenn er irgendwo mit Turbo auftauchte.
Der Bruder beugte sich zu ihr und flüsterte leiser, aber immer noch gut hörbar:
„Na ja… ob der da mithalten kann?“
Tommy schluckte. Ein kurzer Stich in der Brust.
Dann spürte er eine Hand auf seiner Schulter. Seine Mama beugte sich zu ihm hinunter.
„Du und Turbo, ihr seid ein super Team“, sagte sie leise. „Erinnerst du dich an den Hügel hinterm Haus?“
Tommy musste lächeln. Der Hügel hinter ihrem Haus war steil und holprig. Die anderen Kinder aus der Nachbarschaft hatten ihn immer „Blödhügel“ genannt, weil man beim Hochlaufen sofort außer Puste war. Aber Tommy und Turbo hatten ihn mit Schwung und perfekter Technik bezwungen – immer wieder. Er kannte jede kleine Kante, jede Unebenheit.
„Stimmt“, murmelte er. „Der Blödhügel gehört uns.“
Vor ihnen stand jetzt der Mann am Anmeldetisch. Er trug ein Hemd mit einem Riesen-Smiley drauf.
„Na, wen haben wir denn da?“ Er beugte sich zu Tommy herunter. „Wie heißt du? Und wie heißt dein Teamgefährt?“
Tommy richtete sich ein kleines bisschen auf.
„Ich bin Tommy. Und das ist Turbo.“
Der Mann riss die Augen begeistert auf.
„Turbo? Das klingt nach Geschwindigkeit! Willkommen im Wettbewerb, Tommy und Turbo.“ Er schrieb die Namen auf eine große Liste. „Ihr seid Team-Nummer 7.“
Tommy bekam ein Armband um das Handgelenk, auf dem eine große 7 prangte.
„Die Vorrunden starten in einer Stunde am Fun-Parcours“, erklärte der Mann. „Bis dahin könnt ihr euch den Park anschauen. Und keine Sorge: Es gibt nicht nur Rennen. Es geht um Mut, Spaß und Kreativität.“
„Kreativität“, flüsterte Tommy, als sie weiterrollten. „Das ist unser Ding, oder, Turbo?“
Die anderen Teams
Tommy beobachtete die anderen Kinder, während sie Richtung Fun-Parcours gingen. Überall rollten, rasten und hüpften Fahrzeuge herum.
Ein Junge mit schwarzer Baseballkappe balancierte auf einem Skateboard. Er übte kleine Sprünge und Drehungen. Neben ihm stand ein Mädchen mit langen Zöpfen auf einem Scooter mit blinkenden Rädern. Jedes Mal, wenn sie fuhr, glitzerten die Reifen wie kleine Sterne.
Am Rand der Strecke stand ein älteres Mädchen mit einem knallroten Mountainbike. Sie hatte schon eine Startnummer am Trikot und wirkte, als hätte sie so etwas schon hundertmal gemacht. Neben ihr zupfte ein kleiner Junge an seinem Helm.
„Mila, meinst du, ich bekomme das hin?“
„Klar, Ben“, sagte sie und klopfte ihm auf die Schulter. „Wir sind Team ‚Blitzgeschwister‘. Wir rocken das.“
Tommy wusste nicht so recht, wohin er zuerst schauen sollte. Alles war laut und bunt und ein bisschen überwältigend. Er fuhr ein paar Kreise mit Turbo, um sich an den Boden zu gewöhnen. Der Belag war glatt, aber an manchen Stellen gab es kleine Rillen.
Plötzlich tauchte jemand neben ihm auf.
„Hey, cooler Rolli!“
Tommy sah hoch. Vor ihm stand ein Junge, ungefähr in seinem Alter, vielleicht ein bisschen größer. Er hielt ein BMX-Rad an der Hand. Die Speichen waren mit bunten Plastik-Clips verziert, die bei jeder Bewegung klackerten.
„Ich bin Juri“, sagte der Junge. „Und das ist Blinky.“ Er klopfte gegen das Fahrrad. „Weil die Speichen blinken, wenn ich richtig schnell bin.“
Tommy musste unwillkürlich grinsen.
„Ich bin Tommy. Und das hier ist Turbo.“
„Turbo und Blinky“, meinte Juri nachdenklich. „Klingt nach einem krassen Duell.“
„Duell?“, fragte Tommy. Ein kleines Ziehen im Bauch.
Juri lachte.
„Na klar, das wird doch sicher alles im Wettbewerb gegeneinander gewertet. Aber hey – solange wir Spaß haben, oder?“ Er lehnte sich ein bisschen vor. „Bist du schon mal über eine Rampe gefahren?“
„Ja“, antwortete Tommy, „aber nicht über so eine.“ Er zeigte auf eine niedrige Rampe, die weiter vorne aufgebaut war, mit einem kleinen Bogen.
Juri nickte beeindruckt.
„Respekt. Ich finde Rampen immer ein bisschen gruselig, obwohl ich’s nie zugebe. Aber pssst.“
Tommy kicherte.
„Keine Sorge, ich verrate dich nicht.“
Die Lautsprecher knisterten plötzlich.
„Alle Teams für den Team-Champion-Wettbewerb bitte zum Fun-Parcours kommen! In zehn Minuten starten die ersten Runden!“
Tommy atmete tief ein.
„Jetzt geht’s los, Turbo.“
Die erste Runde: Der Schaumbad-Tunnel
Eine Mitarbeiterin im Wunderland-Shirt erklärte die erste Aufgabe.
„Willkommen zur ersten Runde, Kinder und Gefährten! Eure Aufgabe heißt Schaumbad-Tunnel. Ihr fahrt nacheinander durch einen Tunnel, der mit Schaumblasen gefüllt ist. Manche Blasen sind mit Farbe gefüllt und knallen, wenn ihr sie berührt – aber keine Sorge, die Farbe ist auswaschbar.“
Ein Raunen ging durch die Gruppen.
„Bäh, ich will nicht bunt werden!“, rief jemand.
„Ich schon!“, lachte ein anderes Kind.
Die Mitarbeiterin fuhr fort:
„Ihr bekommt Punkte für Mut und Spaß. Wer sich traut, mitten durchzufahren, statt außen herum, bekommt Extrapunkte. Aber – ganz wichtig: Ihr entscheidet selbst, wie nah ihr euch traut. Es gibt kein ‚zu wenig‘ und kein ‚zu viel‘.“
Tommy sah den Tunnel an. Er war mit bunten Lichterketten geschmückt, und aus der Öffnung quollen – wie aus einem überlaufenden Schaumbad – große, glitzernde Schaumblasen. Manche schwebten durch die Luft und platzten leise, andere lagen wie kleine Wolken auf dem Boden.
„Was meinst du, Turbo?“, murmelte Tommy. „Mittendurch, oder?“
In seinem Bauch kribbelte es. Er liebte Schaumbäder, aber Farbe im Gesicht? Hm.
Team für Team fuhr durch den Tunnel. Die Blitzgeschwister rasten hinein, Mila vorneweg auf dem Fahrrad, Ben ganz dicht hinter ihr auf einem kleinen Scooter. Man hörte nur: „Uaaah!“ und dann lautes Lachen, als sie auf der anderen Seite wieder auftauchten – mit bunten Sprenkeln im Gesicht.
Als Tommy und Turbo an der Reihe waren, fühlte sich seine Kehle plötzlich trocken an.
„Team 7, bereit?“, fragte die Mitarbeiterin freundlich.
Tommy nickte, konnte aber nichts sagen. Er legte die Hände fester an die Greifreifen von Turbo.
„Okay“, flüsterte er. „Wir machen das zusammen.“
Er setzte die Räder in Bewegung.
Vor dem Tunnel wurde es schlagartig leiser. Das Licht wurde bunter. Schaumblasen schwebten an seinem Gesicht vorbei. Eine platzte direkt vor seiner Nase. Ein frischer Duft nach Vanille lag in der Luft.
Tommy musste lachen.
„Das kitzelt!“
Er beschloss, nicht außen entlangzufahren. Stattdessen steuerte er Turbo mitten in die schaumige Mitte. Die Räder glitten ein bisschen über den nassen Boden, aber er hatte die Bewegung im Griff. Schließlich kannte er holprige Wege gut – und Turbo reagierte fein auf jede seiner Bewegungen.
Eine große, leicht schimmernde Blase schwebte direkt auf ihn zu. Tommy hielt kurz inne.
„Was meinst du, Turbo? Sollen wir…?“
Dann schob er sich ein bisschen vor, tippte die Blase mit der Hand an – PLOPP!
Ein Sprühnebel aus blauer Farbe landete auf seinem T-Shirt. Überraschend kalt, aber irgendwie lustig.
Auf der anderen Seite des Tunnels hörte er ein paar Kinder klatschen.
„Cool! Der ist mitten durch!“, rief jemand.
Tommy tauchte aus dem Schaum heraus. Sein T-Shirt war blau gesprenkelt, seine Haare kräuselten sich vor Feuchtigkeit, aber er grinste über das ganze Gesicht.
Die Mitarbeiterin zeigte zwei Daumen nach oben.
„Super gemacht, Team 7! Ihr habt die Mut-Punkte auf jeden Fall eingesammelt.“
Als Tommy zu den anderen Teams zurückrollte, kam Juri mit seinem BMX auf ihn zu. Auf seinem Kopf klebte pinker Schaum, der langsam sein Gesicht herunterrutschte.
„Wie siehst du aus!“, prustete Tommy los.
Juri wischte sich den Schaum aus den Augen.
„Selber! Du bist ja der wandelnde Blaubeer-Mann! Das war stark, wie du mitten durch bist.“
Tommy spürte, wie sein Brustkorb sich weit und warm anfühlte.
Vielleicht war er doch nicht der, bei dem man sich fragte, „ob er mithalten kann“. Vielleicht war er der mit dem Mut, mittendurchzufahren.
Die zweite Runde: Der Zuckerschaumhügel
Nach einer kurzen Pause, in der die Kinder Wasser tranken und sich ein bisschen trocken tupften, ging es zur nächsten Station.
Auf einem großen Schild stand:
Zuckerschaumhügel – Wer kommt am kreativsten nach oben?
Auf einem künstlichen Hügel war eine Strecke aus weichem, leicht klebrigem Zuckerschaum aufgebaut. Für die Räder bedeutete das: wenig Halt. Am Rand gab es aber auch einige Bretter, Seile und bunte Schaumstoffklötze.
Die Spielleiterin erklärte:
„Ihr sollt gemeinsam mit eurem Gefährt oben auf dem Hügel ankommen. Wie ihr das schafft, ist euch überlassen. Ihr könnt Schaumstoffklötze als Stufen nutzen, Bretter als Brücken, Seile zum Ziehen… Wichtig ist: Ihr arbeitet als Team – und ihr seid kreativ!“
Tommy betrachtete den Hügel nachdenklich.
Die Oberfläche glänzte, und er konnte sich gut vorstellen, wie Turbos Räder darin einsinken würden. Einfach hochrollen – keine Chance.
Juri stand neben ihm.
„Ich könnte versuchen, mit Schwung hochzufahren“, murmelte er. „Aber wenn die Räder durchdrehen, lieg ich vielleicht auf der Nase…“
Tommy ließ seinen Blick über das Material schweifen. Er sah ein langes Brett, zwei kleine Klötze und ein Seil.
In seinem Kopf klickte es.
„Das ist wie beim Blödhügel“, sagte er leise.
„Wie bitte?“, fragte Juri.
Tommy deutete auf die Dinge.
„Wir könnten eine Art Rampe aus Brettern und Klötzen bauen, damit die Räder weniger einsinken. Und das Seil kannst du zum Festhalten benutzen, falls es rutschig wird. Oder du ziehst dein Fahrrad ein Stück weiter, wenn du nicht treten kannst.“
Juri schaute ihn überrascht an.
„Das ist… ziemlich clever.“
„Ich bin schon tausendmal Hügel hoch“, sagte Tommy schulterzuckend. „Mit Turbo. Man lernt dabei irgendwann Tricks.“
Ehe sie weitersprechen konnten, begann die nächste Runde. Jedes Team hatte ein paar Minuten Zeit, seine Strategie auszuprobieren.
Die Blitzgeschwister versuchten es zuerst. Mila fuhr voraus, Ben schob sein Scooter hinterher. Sie nutzten das Seil, um sich gegenseitig hochzuziehen, und bauten mit Schaumstoffklötzen eine kleine Treppe. Es funktionierte halbwegs, aber sie rutschten oft ab. Trotzdem lachten sie die ganze Zeit, wenn einer kurz im Schaum feststeckte.
Als Team 7 an der Reihe war, meldete sich Tommy zu Wort.
„Dürfen wir die Bretter und Klötze so anordnen, wie wir wollen?“
Die Spielleiterin nickte.
„Ja, ihr dürft umbauen, solange ihr niemanden gefährdet.“
Tommy zeigte auf eine schräg ansteigende Linie.
„Dann bauen wir eine Rampe.“
Mit Hilfe der Betreuer legten sie die beiden Klötze so hin, dass das lange Brett darauf wie eine schiefe Ebene lag. Vorne schob Tommy ein paar Schaumstoffstücke zur Seite, damit Turbo mehr Halt fand. Dann befestigten sie das Seil oben am Geländer, das den Hügel begrenzte.
„Okay, Turbo“, flüsterte Tommy. „Jetzt zeigen wir ihnen, was wir draufhaben.“
Er setzte sich etwas gerader hin, legte die Hände an die Greifreifen und begann, langsam anzuschieben. Die Räder knirschten leicht im Zuckerschaum, aber das Brett sorgte für eine ziemlich stabile Spur.
„Cool!“, rief jemand aus dem Publikum. „Der baut sich ja seine eigene Straße!“
Tommy konzentrierte sich. Schritt für Schritt arbeitete er sich mit Turbo nach oben. Das Brett wackelte ein bisschen, aber nicht so sehr, dass es gefährlich wurde. Die betreuende Spielleiterin stand dicht daneben, um notfalls eingreifen zu können.
„Willst du das Seil?“, rief Juri von der Seite.
Tommy schüttelte den Kopf.
„Noch nicht! Ich glaub, das schaffen wir so.“
In seinem Kopf tauchte kurz das Bild vom Blödhügel auf – und wie er dort manchen Tag frustriert war, weil die Räder durchgedreht waren. Aber diesmal hatte er den Untergrund selbst mitgestaltet. Das war ein anderes Gefühl. Eines, bei dem er nicht ausgeliefert war, sondern Kontrolle hatte.
Die letzten Zentimeter waren schwer.
Seine Arme brannten, der Zuckerschaum klebte an den Reifen. Doch dann spürte Tommy, wie Turbo mit einem kleinen Ruck über die Kante des Bretts holperte – und sie standen oben.
„Geschafft!“, hauchte er und lachte laut vor Freude.
Die Kinder, die zusahen, klatschten.
„Mega!“
„Wie bei einer richtigen Rampe!“
Die Spielleiterin strahlte.
„Das war eine super kreative Lösung, Tommy und Turbo. Ihr habt die Hilfsmittel genutzt, um euren eigenen Weg zu schaffen. Genau darum geht es: Nicht alle müssen denselben Weg nutzen, um ans Ziel zu kommen.“
Juri kam hochgerannt – sein Fahrrad ließ er unten stehen.
„Das war so cool!“, rief er. „Darf ich deine Rampe gleich auch benutzen?“
Tommy grinste.
„Na klar. Die gehört nicht nur uns. Die ist für alle, die raufwollen.“
In diesem Moment fühlte er etwas, das viel größer war als nur Stolz. Er fühlte sich wichtig. Als jemand, der nicht nur „mitfährt“, sondern der anderen helfen konnte, ihren Weg zu finden.
Die dritte Runde: Der Lachgas-Geysir
Die letzte Vorrunde fand auf einer großen, bunten Fläche statt. In der Mitte stand ein merkwürdiger Apparat, aus dem regelmäßig bunte Luftballons und Seifenblasen schossen. Auf Schildern stand:
Lachgas-Geysir – Wer bringt andere am meisten zum Lachen?
Die Spielleiter erklärten die Aufgabe:
„Ihr fahrt mit eurem Gefährt eine kleine Runde um den Geysir. Zwischendurch habt ihr die Möglichkeit, auf Knöpfe zu drücken, die Geräusche auslösen: Kichern, Bellen, Muhen, Pupsgeräusche…“ – die Kinder kicherten bei dem Wort – „…und ihr könnt Verkleidungen benutzen. Punkte gibt es dafür, wie viel Spaß ihr anderen bereitet. Nicht nur, wie laut ihr seid, sondern wie kreativ ihr euren Spaß gestaltet.“
Tommy sah sich das Equipment an: bunte Hüte, Clownsnasen, Tierohren, Schals, Brillen mit riesigen Gläsern. Neben den Knöpfen stand ein Mikrofon, falls jemand etwas sagen oder singen wollte.
„Ich weiß nicht, ob ich mich traue, da reinzubrüllen“, murmelte Juri neben ihm. „Das ist irgendwie peinlich.“
„Vielleicht muss man gar nicht brüllen“, sagte Tommy langsam. „Vielleicht reicht es, wenn wir etwas machen, das wir selber witzig finden.“
Er dachte kurz nach.
Dann fiel sein Blick auf Turbos Räder.
„Weißt du was, Turbo“, sagte er leise. „Wollen wir heute mal richtig albern sein?“
Als sie an der Reihe waren, schnappte Tommy sich zuerst eine riesige, viel zu große Sonnenbrille. Sie rutschte ihm halb von der Nase, aber das machte es noch komischer. Unter sein blau gesprenkeltes T-Shirt band er sich einen glitzernden Schal, der über seine Schultern wehte. Für Turbo nahm er zwei bunte Luftballons und ließ sie links und rechts an den Armlehnen befestigen, sodass es aussah, als hätte der Rollstuhl Flügel.
Die Zuschauer schmunzelten schon, bevor sie losfuhren.
Tommy setzte ein extra ernstes Gesicht auf und begann, im Schneckentempo zu fahren, als sei er ein superwichtiger König. Dabei drückte er auf einen Knopf, der jedes Mal, wenn Turbo einen Meter weiterrollte, ein lautes „MUUUH“ ertönen ließ.
„König Turbo der Erste“, sagte er mit tiefster Stimme ins Mikrofon. „Oberster Herrscher über alle Lachblasen und Schaumkönigreiche.“
Ein paar Kinder prusteten los.
Dann beschleunigte Tommy plötzlich, ließ die Luftballons wackeln und drückte abwechselnd auf einen Pupsgeräusch-Knopf und einen hysterisches-Kichern-Knopf.
„Und jetzt fliegen wir!“, rief er.
Die Kombination aus seinem ernsten Gesicht, den albernen Geräuschen und den wackelnden Ballons war so verrückt, dass selbst einige Eltern am Rand lachten.
Zum Schluss blieb Tommy direkt vor dem Geysir stehen und sagte in das Mikrofon:
„Wisst ihr was? Manchmal denken Leute, mein Rollstuhl wäre nur langsam oder langweilig. Aber niemand hat ’nen Rolli, der MUUUH macht und fliegen kann!“
Dann drückte er ein letztes Mal auf den Knopf.
„MUUUH!“
Die Zuschauer klatschten und johlten, einige Kinder bogen sich vor Lachen. Juri stand am Rand und wischte sich Tränen aus den Augen.
„Du bist verrückt!“, rief er. „Das war das Beste!“
Tommy spürte, wie seine Nervosität völlig verschwunden war.
Anstelle von Unsicherheit fühlte er etwas anderes: Die Erkenntnis, er selbst zu sein. Mit Turbo. Mit all dem, was ihn besonders machte.
Die Entscheidung
Am Ende des Tages versammelten sich alle Teams vor einer kleinen Bühne. Die Sonne stand schon tief und tauchte den Freizeitpark in warmes, goldenes Licht. Tommy war müde, seine Arme brannten, und seine Haare waren immer noch ein bisschen klebrig vom Schaum. Aber innerlich fühlte er sich weit und ruhig.
Die Jury – drei Mitarbeiter und eine ältere Frau mit einem Klemmbrett – trat auf die Bühne. Die Frau mit dem Klemmbrett nahm das Mikrofon.
„Ihr wart heute alle großartig“, begann sie. „Ihr seid mutig durch den Schaumbad-Tunnel gefahren, habt kreative Lösungen am Zuckerschaumhügel gefunden und beim Lachgas-Geysir für richtig gute Stimmung gesorgt.“
Die Kinder jubelten und pfiffen.
„Wir haben drei Kategorien“, fuhr sie fort. „Mut, Kreativität und Spaß. Für jede Kategorie geben wir ein besonderes Lob und eine kleine Auszeichnung. Und dann küren wir ein Team, das sich durch eine ganz besondere Mischung aus allem ausgezeichnet hat.“
Tommy spürte plötzlich doch wieder ein bisschen Nervosität.
Hatten sie eine Chance? Oder war das alles nur ein schöner Tag ohne Pokal?
„Der Mut-Preis“, sagte die Frau, „geht an Team ‚Blitzgeschwister‘: Mila und Ben! Ihr seid ohne zu zögern mitten durch den Schaumbad-Tunnel gerast, obwohl ihr die bunten Blasen gar nicht kanntet – wow!“
Die Blitzgeschwister kamen nach vorne, nahmen eine glänzende Medaille entgegen und strahlten.
„Der Kreativitäts-Preis“, fuhr die Frau fort, „geht an… Team 7: Tommy und Turbo!“
Tommy schnappte nach Luft.
„Hä?“, machte er leise.
„Ihr habt nicht versucht, den Hügel genauso zu bewältigen wie alle anderen“, erklärte die Frau. „Ihr habt eure eigene Rampe gebaut, euren eigenen Weg gesucht – und ihn gefunden. Außerdem habt ihr eure Lösung geteilt, damit andere sie auch nutzen konnten. Das ist wahre Kreativität und Teamgeist.“
Juri stieß Tommy von hinten an.
„Na los, geh schon!“
Tommy rollte nach vorne zur Bühne. Seine Hände zitterten ein wenig, als ihm die Medaille um den Hals gelegt wurde. Sie war goldfarben und darauf war ein kleines Rad mit Flügeln zu sehen.
„Danke“, sagte er leise ins Mikrofon, das ihm die Frau hinhielt. Dann fügte er etwas lauter hinzu:
„Turbo gehört mindestens die Hälfte davon.“
Ein paar Leute lachten, ein warmer, freundlicher Klang.
„Und der Spaß-Preis“, sagte die Frau, „geht an Juri und Blinky! Eure Pannenshow beim Lachgas-Geysir war so herrlich chaotisch, dass wir alle Tränen gelacht haben.“
Alle Teams klatschten, als Juri nach vorne hüpfte, um seine Medaille abzuholen. Er hielt sie kurz in die Luft, als wäre es ein Fußballpokal.
„Und jetzt“, sagte die Frau schließlich, „kommt unsere letzte Auszeichnung:
Der Team-Champion-Preis für das Team, das Mut, Kreativität und Spaß am besten verbunden hat.“
Es wurde still. Man hörte nur das leise Rattern einer Achterbahn im Hintergrund und das Rascheln der Fahnen im Wind.
„Der Preis geht an…“ – die Frau machte eine kleine Pause – „…Team 7: Tommy und Turbo!“
Für einen Moment schien alles stillzustehen.
Dann brach lauter Jubel aus. Kinder klatschten, Eltern jubelten, jemand rief: „TURBOOO!“
Tommy spürte, wie sein Herz schneller schlug.
„Wir?“, flüsterte er. „Turbo, wir!“
Seine Mama drückte kurz seine Schulter, ihre Augen glänzten.
„Ja, ihr“, sagte sie.
Tommy rollte noch einmal nach vorne. Er bekam eine etwas größere Medaille und einen kleinen Pokal, auf dem stand: Team-Champion Wunderland. Der Pokal hatte die Form eines kleinen Fahrzeugs mit einem breiten Grinsen.
„Möchtest du etwas sagen?“, fragte die Frau und hielt ihm noch einmal das Mikrofon hin.
Tommy überlegte kurz. Dann schaute er zu Turbo hinunter, zu den anderen Kindern, zu Juri, der die Arme hochriss, um ihn anzufeuern.
„Ähm…“ Er atmete tief durch.
„Am Anfang hab ich gedacht, ich bin hier der Einzige mit einem Rollstuhl. Und ich war mir nicht sicher, ob ich überhaupt richtig dazugehöre.“
Ein paar Kinder nickten im Publikum.
„Aber heute hab ich gemerkt“, fuhr Tommy fort, „dass es nicht so wichtig ist, womit wir fahren. Wichtig ist, wie wir zusammenhalten. Manchmal müssen wir uns einfach unseren eigenen Weg bauen, so wie die Rampe am Hügel. Und manchmal müssen wir so albern sein, dass alle lachen, sogar wir selbst.“
Er strich kurz über den Rand von Turbo.
„Turbo und ich – wir sind vielleicht anders als die meisten hier. Aber anders ist nicht weniger. Anders ist… einfach Turbo.“
Die Leute lachten und klatschten, aber es war ein gutes Lachen, eines, das ihn nicht auslachte, sondern mitlachte.
Tommy spürte, wie die Wärme in seiner Brust noch größer wurde.
In seinem Kopf formten sich plötzlich Worte, die wie eine kleine, leuchtende Wahrheit klangen:
Ich muss nicht so sein wie die anderen, um großartig zu sein.
Ich bin gut, genau so, wie ich bin – mit Turbo an meiner Seite.
Heimweg mit Turbo
Als die Sonne schließlich hinter den Attraktionen verschwand und der Himmel sich rosa färbte, machten sich Tommy und seine Mama auf den Heimweg. Tommy hielt den Pokal auf seinem Schoß, die Medaille baumelte über seinem blau gesprenkelten T-Shirt.
„Na, Team-Champion?“, fragte seine Mama, als sie den Parkplatz erreichten. „Wie fühlst du dich?“
Tommy lehnte sich ein Stück zurück und sah nach oben in den Abendhimmel.
„Müde“, sagte er, „aber glücklich. Turbo auch.“
„Ach ja?“ Seine Mama grinste. „Hat Turbo dir das gesagt?“
Tommy nickte ernst.
„Wir reden ohne Worte. Turbo spürt das.“
Sie lachten beide. Seine Mama öffnete den Kofferraum.
„Pokal vorne auf den Sitz oder lieber bei dir hinten?“
„Bei mir“, entschied Tommy. „Der gehört zu Turbo und mir. Wir haben den zusammen gewonnen.“
Auf der Fahrt nach Hause fühlte Tommy noch immer das leichte Schwingen des lachenden Publikums in seiner Erinnerung, den Schaum auf seiner Haut, die Rampe unter Turbos Rädern.
Als sie an einer roten Ampel hielten, legte er die Hand auf die Armlehne seines Rollstuhls.
„Danke, Turbo“, flüsterte er. „Ohne dich hätte ich das heute nicht geschafft.“
Natürlich antwortete Turbo nicht.
Aber Tommy war sicher, dass der Rollstuhl in dem Moment ein kleines bisschen leichter wurde – als würde er innerlich grinsen.
Ein neuer Blick auf den Blödhügel
Am nächsten Nachmittag stand Tommy wieder oben am Blödhügel hinter ihrem Haus. Die Sonne schien, ein paar Wolken trieben über den Himmel. Einige Kinder aus der Nachbarschaft spielten mit einem Ball unten auf dem Hof.
Tommy schaute hinunter.
Der Hügel sah plötzlich anders aus. Nicht mehr wie ein „Blödhügel“, sondern wie eine Miniversion des Zuckerschaumhügels – nur ohne Zucker, ohne Schaum, aber mit denselben Möglichkeiten.
„Na, Turbo“, sagte er, „ready?“
Er ließ Turbo anrollen, nutzte jede kleine Kante, jeden Vorsprung, lehnte sich mal nach vorne, mal ein Stück zurück, so wie er es tausendmal geübt hatte. Unten angekommen, stoppte er, drehte sich um und betrachtete den Weg, den sie zurückgelegt hatten.
Eines der Kinder mit dem Ball kam neugierig näher.
„Warst du gestern nicht in diesem Freizeitpark-Wettbewerb?“, fragte das Mädchen. „Meine Cousine hat erzählt, da hätte einer mit einem Rollstuhl gewonnen.“
Tommy lächelte.
„Ja. Das waren Turbo und ich.“
Die Augen des Mädchens wurden groß.
„Echt? Voll cool! Kannst du mir mal zeigen, wie du den Hügel da so runterfährst? Ich trau mich mit meinem Inliner nie so richtig.“
Tommy fühlte einen vertrauten Stich – aber diesmal war es kein Schmerz, sondern eher ein Funken.
„Klar“, sagte er. „Ich kann dir ein paar Tricks zeigen. Und wenn du willst, bauen wir uns eine eigene kleine Rampe. So wie im Wunderland.“
Während er erklärte und zeigte, merkte er, dass etwas in ihm sich ganz ruhig anfühlte.
Er war nicht mehr der Junge, bei dem man fragte, ob er wohl mithalten kann. Er war der mit den Ideen, mit den Rampen, mit dem Turbo-Rolli, der MUUUH macht.
Und irgendwo tief in ihm wusste er, dass noch viele Abenteuer auf ihn warteten.
Mit Schaum, mit Hügeln, mit Lachen –
und immer mit der gleichen Wahrheit:
Er war nicht weniger.
Er war anders stark.
Und er wusste ganz genau, dass auch Helden manchmal Räder haben – statt Füße.
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